Mein Mann hat mir gesagt, dass er bisexuell sei


Kürzlich gestand mir mein Mann, er sei bisexuell. Nach zehn Jahren Ehe traf mich dies total unerwartet. Bin ich mit diesem Problem alleine? Ich dachte, ich kenne meinen Mann. Doch offenbar führte er die letzten Jahre ein Doppelleben. Ich weiss nicht mehr, was ich ihm glauben soll. Haben wir überhaupt noch eine Zukunft?

David Siegenthaler

09.05.2019, Luzerner Zeitung

Bisexualität ist, wenn man sich zu Frauen und Männern bzw. zu mehr als einem Geschlecht hingezogen fühlt – emotional und/oder sexuell. Der Kinsey- Report von Mitte des 20. Jahrhunderts besagte, dass 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung auch bisexuelle Neigungen haben. Untersuchungen aus dem Jahre 2015 von YouGov, einer britischen Studie, gehen von einem Anteil von 19 Prozent aus. Wiederum andere Studien sprechen von einem Anteil von 1 bis 5 Prozent der Bevölkerung. Die Zahlen variieren auch deshalb, weil bei der Befragung unterschiedlich definiert ist, wie stark eine bisexuelle Neigung sein muss, um als solche wahrgenommen zu werden.

Klar ist, dass Bisexualität existiert, sowohl bei Menschen als auch bei anderen Lebewesen. Deshalb gibt es immer wieder auch Paare, die in eine ähnliche Situation geraten wie Sie und Ihr Partner. Eine definierte Geschlechterpräferenz mag nicht jeder und muss nicht zwingend sein.

Wichtig ist, dass Sie Ihren Partner akzeptieren und lieben, wie er ist. Um eine solche Situation zu meistern, sind Offenheit und Flexibilität nötig. Ein Teil der Beziehungsarbeit ist, dass man das Vertrauen wieder aufbaut und bereit ist, den Partner neu kennen zu lernen.

Facetten der Bisexualität

Bisexualität etwa äussert sich in vielen Facetten. Einige Betroffene wollen die Sexualität mit beiden Geschlechtern ausleben, andere sind glücklich mit einem. Einige mögen eines der Geschlechter lieber für Beziehungen, anderen spielt das keine Rolle. Deshalb ist es wichtig, die eigenen sexuellen und emotionalen Bedürfnisse mit dem Partner achtsam und liebevoll zu klären. Dieser Austausch bedeutet viel Arbeit, lohnt sich aber, weil sie meistens eine Entwicklung ergibt, welche die Beziehung grundsätzlich verbessert und vertieft.

Dazu gehört ein neues Verstehen des Gegenübers. Was zieht ihn wirklich an? Was findet er an welchem Geschlecht besonders interessant? Liebt er mich als Partnerin? Findet er mich wirklich attraktiv? Was brauche ich in dieser Lage von meinem bisexuellen Partner?

Einige Paare entscheiden sich danach für eine offene oder mehrfachliebende Beziehung. Dies bedeutet häufig, dass beide die Erlaubnis haben, auch mit anderen (oder zu dritt) Sexualität auszuleben. Dazu werden Regeln definiert, in welchem Rahmen sich beide wohlfühlen. Praktiken, Verhütung oder Ort und Zeitpunkt spielen dabei eine zentrale Rolle.

Ansprechen, was stört

Es ist ein Spiel mit dem Feuer, einerseits aufregend, andererseits kann man sich die Finger verbrennen. Selten kann man voraussehen, was wirklich stimmig ist. Sprechen Sie darüber, wenn Sie im Nachhinein etwas stört. Es gibt auch Leute, die dem bisexuellen Partner erlauben, seine Neigung auszuleben, aber nicht wissen wollen, was der Partner genau tut. Andere wiederum einigen sich auf die monogame Beziehung. Wenn Sie Ihren Partner lieben, lohnt sich die Beziehungsarbeit.

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